Digitaler Zwilling

Im Vorfeld zu wissen, wie sich eine Maschine oder ein Produkt in bestimmten Einsatz-Szenarien mit hoher Wahrscheinlichkeit verhalten wird, ist in vielen Branchen von nahezu unschätzbarem Wert. Aus diesem Grund gewinnt auch das Konzept „Digitaler Zwilling“ stetig weiter an Relevanz – gerade auch in der Produktion. 

Kurz und knapp

  • Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Abbild eines physischen Objekts
  • Es gibt vier Grundarten solcher virtueller Zwillingssysteme
  • Digitale Zwillinge eignen sich besonders für Großprojekte
  • Digitale Abbilder sind einfachen Simulationen häufig überlegen
  • Die Qualität virtueller Abbilder hängt von der Qualität der Daten ab

Was ist ein digitaler Zwilling?

Ein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Replikation einer physischen Maschine, eines Prozesses oder Systems. Dieses virtuelle Abbild nutzt Echtzeitdaten, um den tatsächlichen Lebenszyklus des physischen Originals möglichst exakt abzubilden. Mit Hilfe dieser digitalen Kopie können Abläufe simuliert und Tests durchgeführt werden, um die Performance und Wirtschaftlichkeit realer Assets zu optimieren.

Wie funktioniert ein digitaler Zwilling?

Ein digitaler Zwilling nutzt in physischen Systemen / Anlagen erhobene Echtzeitdaten, um den realen Einsatz eines Assets so akkurat wie möglich abzubilden. Mit Hilfe von IoT-Sensoren werden etwa laufend Daten realer physischer Systeme erhoben (Temperatur / Stromverbrauch / Durchsatz), die sich – je nach Asset – für eine Verarbeitung eignen.

Bevor die Daten hierfür genutzt werden können, müssen sie entsprechend geprüft und standardisiert werden. An dieser Stelle kann etwa auch KI dabei helfen, die notwendige Datenqualität für den Einsatz sicherzustellen und die Relevanz der Daten für den jeweiligen Einsatzzweck zu gewährleisten.

Diese relevanten Echtzeitdaten werden im nächsten Schritt in die virtuelle Kopie des Systems bzw. der Maschine oder Anlage eingespeist bzw. zum Aufbau dieses Abbilds genutzt (Datenintegration). So ist diese Kopie nach der fertigen Modellierung exakt den gleichen „Belastungen“ ausgesetzt wie das physische Original.

Der digitale Zwilling kann nun eingesetzt werden, um anhand regelmäßig bereitgestellter, authentischer Echtzeitdaten verschiedenste Prozesse oder Veränderungen zu simulieren. Diese reichen von kleinen Anpassungen an der Anlage bis zu komplexen „Was-wäre-wenn“-Analysen. So lassen sich mögliche Fehler, Störungen oder Ineffizienzen am digitalen Abbild identifizieren und bestenfalls beheben, ohne die physische Anlage zu beeinflussen.

Zwillingssysteme vs. Simulationen – Was sind die Unterschiede?

Auf den ersten Blick wirkt die Arbeit mit einem digitalen Zwillingssystem wie eine Simulation. Tatsächlich ist ein solches digitales Abbild in einer eigenen, virtuellen Umgebung gerade für die Industrie deutlich interessanter als reine Simulationen. 

Statt einzelner, isolierter Simulationen können mit einem digitalen Zwilling komplexe Testszenarien durchgespielt werden – beliebig häufig und in feinsten Variationen. Mit geringstem Aufwand lassen sich unterschiedlichste Variablen im Prozess anpassen und im Zwillingssystem berücksichtigen, um diese zu testen. 

Während also Simulationen gut geeignet sind, um streng definierte Einzel-Szenarien darzustellen, können digitale Zwillinge auch dank der stetigen Aktualisierung mit Echtzeitdaten sehr vielschichtige Szenarien abbilden. Entsprechend eingerichtete Zwillingssysteme sind somit wesentlich granularer und können multifaktorielle Einflüsse auf Assets wie Anlagen und Systeme sehr viel präziser replizieren sowie deren mögliche Effekte prognostizieren.

Arten digitaler Zwillinge

In der Praxis kommen digitale Zwillingssysteme in diversen Ausführungen zum Einsatz. Die jeweils geeignetste Variante ist abhängig davon, was für ein digitales Abbild genau erstellt werden soll.

Komponentenzwillinge / Component Twin

Die grundlegendste Version eines digitalen Abbilds sind Komponentenzwillinge. Diese werden häufig in der Fertigung sowie im Maschinenbau eingesetzt, um virtuelle Kopien von Bauteilen oder Komponenten einer Gesamtanlage zu erstellen. 

So können kritische Komponenten wie Motoren oder mechanische Bauteile laufend geprüft werden, um auf Basis der virtuellen Kopie präzise Vorhersagen über deren Eignung im Prozess, mögliche Verschleißerscheinungen und richtige Wartungsintervalle zu treffen.

Asset-Zwillinge / Asset Twin

Hier werden virtuelle Abbilder vollständiger Assets erstellt, zu denen typischerweise ganze Maschinen oder schlicht mehrere miteinander interagierende Komponenten zählen. Anhand der Sensordaten der physischen Assets lässt sich deren Zustand und Leistung ermitteln. 

Die Echtzeitdaten dieser Assets werden dann dazu genutzt, eventuelle Ineffizienzen im Zusammenspiel aufzudecken oder vorausschauend Wartungen zu planen.

System-Zwillinge / System Twin

Digitale System-Zwillinge dienen der virtuellen Replikation ganzer (Fertigungs-)Systeme oder (Produktions-)Anlagen. Sie bieten die Möglichkeit, statt einzelner Teilbereiche ein gesamtes System abzubilden. Dies kann auch ein Bündel an einzelnen Assets umfassen.

Mit einem solchen digitalen Zwilling kann die Gesamtleistung einer Anlage präzise ermittelt werden, um Optimierungspotenziale aufzudecken und zu realisieren – etwa durch die Beseitigung von redundanten Prozessen oder die Ermittlung von Engpässen.

Prozess-Zwillinge / Process Twin

Prozess-Zwillinge werden zur detaillierten Nachbildung von Geschäftsprozessen insgesamt genutzt. Auf dieser obersten Ebene wird betrachtet, wie mehrere Systeme in der Praxis zusammenarbeiten und ob diese optimal aufeinander abgestimmt sind. 

Ein digitaler Zwilling der eigenen Geschäftsprozesse gibt virtuell Aufschluss darüber, wo untergeordnete Systeme nahtlos oder auch weniger effizient zusammenwirken. Diese Daten lassen sich dann nutzen, um Synergien und gegenseitige Abhängigkeiten dieser Systeme bestmöglich auszubalancieren.

In der Praxis ist es durchaus gängig, dass in einem einzelnen Unternehmen gleich mehrere Arten digitaler Zwillinge zum Einsatz kommen (können). Gerne unterstützen wir bei GFOS Sie dabei, die für Ihre Ansprüche passenden Systemlösungen fachgerecht in Ihre Prozesse zu integrieren – etwa mit Hilfe unserer leistungsfähigen MES-Software-Lösung. Sprechen Sie uns gerne dazu an. 

Die Vorteile digitaler Zwillinge – Nutzen in der Praxis

Die fachgerechte Implementierung digitaler Zwillinge ist meist für sich genommen schon ein Großprojekt. Im Anschluss dürfen Unternehmen sich jedoch über eine Reihe an Vorteilen freuen. Hier eine Auswahl der Stärken virtueller Zwillingssysteme:

Wartung & Instandhaltung

Mit Hilfe der Echtzeitdaten aus dem Betrieb lässt sich am digitalen Abbild einer Maschine simulieren, wann etwa Verschleißerscheinungen auftreten oder Ausfälle zu befürchten sind. Anhand dieser Informationen können Instandhaltungsmaßnahmen vorausschauend geplant werden, um kostspielige Ausfälle zu vermeiden und Wartungskosten zu senken.

Optimierung von Prozessen

Ein digitaler Zwilling ermöglicht die Durchführung virtueller Testläufe unter diversen Bedingungen, um zu prüfen, ob Anlagen / Maschinen über ihren gesamten Lebenszyklus voll leistungsfähig sind und bleiben. Die Simulation dieser Szenarien bietet wichtige Anhaltspunkte, um etwa Engpässe bei der Bereitstellung von Materialien oder sonstige Komplikationen in den Prozessen aufzudecken.

Virtuelle Produktentwicklung

Anhand eines digitalen Zwillings kann auch der Einsatz von Produkt-Prototypen simuliert werden. Hierdurch lassen sich wertvolle Daten gewinnen, welche Performance in bestimmten Anwendungsgebieten zu erwarten ist und wo sich eventuelle Schwachstellen in Aufbau / Design befinden. Diese können auf Basis dieser Tests direkt adressiert werden.

Nachhaltige Effizienzsteigerung

Über eine virtuelle Kopie vollständiger Systeme und Prozesse erhalten Verantwortliche einen ganzheitlichen Blick auf Abläufe und Zusammenhänge. Aus dieser Perspektive können verschiedenste Szenarien, Anpassungen und Umstellungen in den Abläufen simuliert werden, um deren Einfluss auf die Systeme und Prozesse zu evaluieren. So lässt sich schrittweise und datenbasiert die Gesamteffizienz eines Unternehmens steigern.

Branchen im Blick – Wo ein digitaler Zwilling eingesetzt wird

Die möglichen Einsatzbereiche digitaler Zwillinge sind vielfältig und umfassen mehrere Branchen. Hier haben wir exemplarisch drei Einsatzfelder aufgelistet.

Fertigungsindustrie

Die Fertigungsindustrie nutzt digitale Kopien von Produktionsanlagen oder auch einzelner Maschinen, um deren Leistungsdaten zu analysieren und zu optimieren. Anhand der virtuellen Abbilder von Fertigungsprozessen lassen sich Arbeitsabläufe nachvollziehen sowie selbst umfassende Anpassungen in Produktionsstätten einfach simulieren.

Automobilindustrie

In der Automobilindustrie eignen sich digitale Zwillinge unter anderem für die Entwicklung und Simulation neuer Fahrzeugmodelle. Auf Basis virtueller Kopien von Autos bzw. Prototypen lassen sich verschiedene Designoptionen testen sowie das Fahrverhalten und der Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge optimieren.

Logistik / Supply Chain Management

Im Supply Chain Management bieten virtuelle Kopien von Lieferketten wertvolle Einblicke in die Abläufe, die Auslastung von Lieferrouten und mögliche Abhängigkeiten. Diese Daten werden dann zur nachhaltigen Optimierung des Flottenmanagements herangezogen.

 

So beeindruckend die Stärken und Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie auch ausfallen – nicht für jedes Unternehmen ist es sinnvoll, auf digitale Zwillinge zu setzen. Je größer die Unternehmen und je umfassender die eigenen Projektvorhaben, desto eher rentiert sich typischerweise die Erschaffung virtueller Abbilder (von Teilen) der eigenen Produktion.

Herausforderungen beim Einsatz digitaler Zwillinge

Die Nutzung von digitalen Zwillingssystemen kann gerade für große Unternehmen eine lukrative Investition darstellen – sofern die wichtigsten Herausforderungen bei der Umsetzung bekannt sind und berücksichtigt werden.

Aufwendige Implementierung / Einrichtung

Je weniger ein Unternehmen sich bisher mit den Möglichkeiten der Industrie 4.0 befasst hat, desto aufwendiger und komplexer fällt die Einführung digitaler Zwillingssysteme aus. Die intensive Nutzung von (IoT-)Sensoren ist etwa unabdingbar und erfordert eine fachkundige Integration, um überhaupt die erforderlichen Daten aus den Prozessen zu aggregieren. Dies setzt sowohl die Nutzung spezialisierter Soft- und Hardware als auch eine professionelle Unterstützung beim Setup voraus – sofern diese Kompetenzen nicht intern existieren.

Sicherstellung der Datenqualität

Ungenaue, unvollständige oder veraltete Daten können zu falschen Analysen und Entscheidungen führen. Die Integration wertvoller, relevanter Daten entscheidet maßgeblich über den Mehrwert, den digitale Zwillingssysteme schaffen. Um den digitalen Zwilling effektiv zu nutzen, ist es entscheidend, dass diese Daten kontinuierlich gesammelt und verarbeitet werden. Die Verfügbarkeit solcher Echtzeitdaten kann jedoch insbesondere bei älteren Anlagen problematisch sein.

Anforderungen an Datenschutz

Virtuelle Zwillingssysteme arbeiten vollständig datenbasiert – zur akkuraten Abbildung müssen also laufend hochwertige Daten bereitgestellt werden. Je nach Branche (Medizin etc.) können diese Daten sehr sensibel sein. Unternehmen sind hier also gleich in mehrfacher Hinsicht gefordert, dafür zu sorgen, dass die genutzte IT-Infrastruktur gegen mögliche Datenverluste, Cyberangriffe oder sonstige Vorfälle abgesichert ist.

Fragen der Wirtschaftlichkeit

Abhängig von der spezifischen Art des digitalen Zwillings kann die Erstellung und fortlaufende Pflege eines solchen virtuellen Replikats eine erhebliche Investition darstellen. Unternehmen sollten im Vorfeld ermitteln, ob ein virtuelles Abbild von Komponenten, Assets, Systemen oder Prozessen in der Praxis tatsächlich ausreichend starke Mehrwerte liefert, um diese Kosten zu rechtfertigen.

Digitale Zwillinge nutzen – Mit Unterstützung von GFOS

Wie kann ein digitaler Zwilling bestmöglich eingesetzt werden? Was ist hinsichtlich der Qualität der Daten und ihrer Aufbereitung zu beachten? Und rechnet sich eine solche Investition für Ihr Unternehmen? Vertrauen Sie auf die Expertise von GFOS und lassen Sie sich professionell zu leistungsstarken virtuellen Lösungen beraten. Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören.

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