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Vertrauensarbeitszeit und Zeiterfassung: So gelingt die Balance zwischen Dokumentation & Freiheit

Spätestens seit dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung fragen sich viele Unternehmen, wie es mit der Zeiterfassung bei Vertrauensarbeitszeit aussieht. Zudem werden die Unterschiede verschiedener Arbeitszeitmodelle diskutiert. Systematische Stundenerfassung muss jedoch Flexibilität gar nicht ausschließen. Wir fassen alles Wichtige zusammen.

Seit Mai 2019 steht fest: Die Arbeitszeiterfassung muss systematisch, objektiv und zugänglich erfolgen. Das hat der Europäische Gerichtshof beschlossen und möchte damit die Arbeitnehmenden der Mitgliedsstaaten stärker schützen. Denn zu viele Überstunden haben auf Dauer gesundheitliche Folgen. Daher stärkte das Urteil vor allem den Schutz der Beschäftigten. Mit dem Beschluss kamen viele Diskussionen und Fragen auf: Was ist mit der Vertrauensarbeitszeit? Dient die verpflichtende Stundenerfassung nur der Kontrolle der Beschäftigten? Wie soll mit Kontrolle flexibles Arbeiten möglich sein? Eine systematische Zeiterfassung bei Unternehmen, die bisher auf Vertrauensarbeitszeit gesetzt haben, muss Flexibilität nicht ausschließen.

Was ist eigentlich Vertrauensarbeitszeit?

Vertrauensarbeitszeit definiert sich dadurch, dass der Arbeitgebende auf die Kontrolle der Einhaltung der Vertragsarbeitszeiten verzichtet. Es wird also darauf vertraut, dass die Mitarbeitenden tägliche Höchstarbeitszeiten sowie Ruhepausen einhalten und gleichzeitig ihre Aufgaben erledigen bzw. Zeiten einhalten. Eigenverantwortung und proaktives Handeln sind dafür die Voraussetzung.

Die Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung ist ein Modell, was durch das EuGH-Urteil bald Geschichte sein könnte; Bild © GFOS mbH

So gestaltet sich die Vertrauensarbeitszeit in der Praxis

Es wird keine Kernarbeitszeit festgelegt, ein bestimmter Zeitkorridor kann jedoch vorgegeben werden: So gehen Arbeitgebende sicher, dass zu gewünschten Zeiten jemand im Unternehmen anwesend ist. Wichtig ist jedoch, dass sowohl gesetzliche als auch tarifliche Vorgaben eingehalten werden müssen. Das heißt, dass auf ausreichende Ruhepausen und -phasen geachtet werden muss und dass die maximale Höchstarbeitszeit nicht überschritten werden darf. Geht die täglich erbrachte Arbeitszeit über die tariflichen oder gesetzlichen Arbeitszeiten hinaus, müssen die Überstunden laut § 16 Abs. 2 ArbZG aufgezeichnet werden – diese Regelung ist bereits im Gesetz verankert und daran ändert auch die beschlossene Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nichts.

So setzen Unternehmen das Vertrauensarbeitszeitmodell um

Darüber hinaus gibt es noch viele Regelungen, die bei der Einführung von Vertrauensarbeitszeit im Unternehmen beachtet werden müssen. Die Einführung eines solchen Arbeitszeitmodells geht einher mit Verwaltungsaufwand, der sich ebenfalls bei der Einführung einer Zeiterfassung ergibt. Hier liegt die Entscheidung bei den Unternehmen, welcher Aufwand in Kauf zu nehmen ist.

Wie wirkt sich die Arbeitszeiterfassung auf die Vertrauensarbeitszeit aus?

Fest steht, dass eine Zeiterfassungspflicht für bestimmte Gruppen bzw. für Überstunden bereits besteht und durch das Urteil zur Stundenerfassung noch erweitert wird. Wer jetzt schon auf die detaillierte Zeiterfassung achtet, kann Mehraufwand zukünftig vermeiden.

Die Gesetzesanpassungen der europäischen Mitgliedsstaaten, die auf dem Urteil zur Stundenerfassung basieren werden, lassen noch auf sich warten. Es wird jedoch angenommen, dass das bisherige Arbeitszeitgesetz um einige Abschnitte erweitert wird, sodass genau festgelegt ist, wie und für wen die Erfassung zu erfolgen hat. Bereits heute ist sie z. B. für Auszubildende oder Beschäftigte, die Mindestlohn verdienen, verpflichtend.

In Deutschland findet die Vertrauensarbeitszeit oftmals bei Führungskräften Anwendung. Der Hintergedanke dabei ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass diese sich an vertraglich vereinbarte Arbeitszeiten halten und auch Ruhepausen einhalten. Außerdem wird davon ausgegangen, dass Mehrarbeit flexibel auf Vertrauensbasis ausgeglichen wird. Ob hier eine neue Regelung zur Zeiterfassung für die Fach- und Führungskräfte in Vertrauensarbeitszeit in Kraft tritt, bleibt abzuwarten.

Flexible Arbeitszeit mit Arbeitszeiterfassung – die neue Vertrauensarbeitszeit?

Verschiedene Studien und Beobachtungen des Marktes haben ergeben, dass Flexibilität und Mobilität für Mitarbeiter immer wichtiger werden. Besonders für jüngere Generationen spielen diese Benefits auf der Arbeit eine immer zentralere Rolle. Daher sollten Arbeitgeber versuchen, dies zu ermöglichen – sei es durch flexible Arbeitszeiten oder durch mitarbeiterorientierte Personaleinsatzplanung. Genau wie bei der Vertrauensarbeitszeit können Arbeitnehmer bei der flexiblen Arbeitszeit - z. B. Gleitzeit - selbst entscheiden, wann sie die zu erbringenden Stunden leisten möchten. Eine Kernarbeitszeit wird häufig von Unternehmen eingesetzt, um eine Erreichbarkeit aller Mitarbeitenden zu bestimmten Uhrzeiten zu gewährleisten. Das macht die Findung von Meeting-Terminen deutlich einfacher.

Die Vertrauensarbeitszeit hat gegenüber der Zeiterfassung einige Nachteile, insbesondere wenn Stunden in Verbindung mit modernen Zeitmodellen erfasst werden; Bild © GFOS mbH

Viele Unternehmen stellen die Zeitunabhängigkeit in Modellen zur Arbeitszeitflexibilisierung dar. Das kann etwa durch Gleitzeit, Jahresarbeitszeit oder Funktionszeit geschehen. Hinzu kommt auch die steigende Mobilität der Belegschaft und das ortsunabhängige Arbeiten durch Flexarbeit oder ähnliche Methoden. Zeiterfassungssysteme berechnen je nach eingesetztem Modell automatisch die vorgegebenen tariflichen, gesetzlichen und betrieblichen Arbeitszeiten – so wird sichergestellt, dass Mitarbeitende nicht dauerhaft die Höchstarbeitszeit überschreiten. Es geht also darum, mehr Flexibilität und Mitbestimmungsrecht zu ermöglichen. Dies kann sich wiederum positiv auf die Employee Experience auswirken.

Und außerhalb des Büros? Zeiterfassung erweist sich der Vertrauensarbeitszeit als überlegen

Ob im Außendienst, im Baugewerbe, im Gesundheitswesen oder in der Industrie: Der Wunsch zu mehr Arbeitszeitflexibilität besteht branchenunabhängig. Eine systematische Zeiterfassung ist gegenüber der Vertrauensarbeitszeit hier überlegen. Denn Anbieter von Zeiterfassungssoftware vernetzen diese Funktion oftmals mit einer Vielzahl anderer Komponenten. Oftmals bildet die Arbeitszeiterfassung die Grundlage für diverse Möglichkeiten. Exemplarisch sind hier die Personaleinsatzplanung mit Software oder die Personalbedarfsermittlung zu nennen. Gekoppelt an verschiedene Employee Self Services (bzw. Mitarbeiterportale) bekommen Mitarbeitende hier etwa die Möglichkeit, auf Wunschbücher und Diensttauschbörsen zurückzugreifen – so lässt sich auch in Schichtmodellen flexibles Arbeiten und Mitbestimmungsrecht bei der Dienst- und Schichtplangestaltung umsetzen bzw. in Fällen, wo üblicherweise keine Vertrauensarbeitszeit besteht.

Arbeitszeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit heiß in Zukunft Flexibilität

Das Vertrauen in die Mitarbeitenden wird zukünftig wichtiger denn je werden. Die Coronapandemie hat deutlich gezeigt, dass produktives Arbeiten auch dezentral möglich ist – mithilfe von Workforce Management Lösungen, Videokonferenztools und vieles mehr. Die Erfahrungen aus Lockdowns, Homeoffice-Verpflichtung und dezentralem Arbeiten haben verdeutlicht, dass es Arbeitnehmenden vielmehr um eine flexible Einteilung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes ging, als um Vertrauensarbeitszeit. Eine detaillierte Arbeitszeiterfassung ist bei neuen Arbeitsmodellen sinnvoll, um jederzeit einen Überblick über die erbrachten Stunden und Leistungen zu haben. Gleichzeitig können die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu jeder Zeit an jedem Ort eingehalten werden.

Fazit: Zeiterfassung statt Vertrauensarbeitszeit schafft Vertrauen auf andere Art

Eine systematische Zeiterfassung bedeutet nicht, dass das Vertrauen zu den Mitarbeitenden darunter leiden muss. Ganz im Gegenteil: Es entsteht die Möglichkeit zur Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle. Diese können mit gängiger Zeiterfassungssoftware ganz einfach abgebildet werden. Zudem weiten sie New-Work-Konzepte auf deutlich mehr Arbeitskräfte aus, sodass die gesamte Belegschaft davon profitiert – nicht nur Führungskräfte oder Mitarbeitende im Außendienst. Die neuen Modelle legen den Hebel zur digitalen Transformation um. Arbeitnehmende können stärker in Personal(planungs)prozesse einbezogen werden, um etwa selbst die Dienstplanung zu gestalten. Das kann sich nachhaltig positiv auf das Arbeitsklima auswirken.

Warten Sie nicht darauf, bis Änderungen am Arbeitszeitgesetz die Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung nicht mehr möglich machen. Nehmen Sie jetzt das Ruder in die Hand, indem sie eine systematische Arbeitszeiterfassung als Teil eines Workforce Management Systems einführen. So haben Sie die Option, in Zukunft stärker auf die Wünsche Ihrer Mitarbeitenden einzugehen. Unsere IT-Expert*innen beraten Sie gerne bei einem unverbindlichen Gespräch.

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